Archiv | November, 2012

Angemessenheit, Journalisten und Politik

17 Nov

Hallo alle Miteinander,

dass „Angemessenheit“ und Politik zusammenhängen dürfte den Politisch interessierten Menschen klar sein. Wir haben bestimmte Erwartungen an die Arbeit des Politikers. Mal können wir diese Erwartungen genau formulieren, mal haben wir so eine Ahnung, was gute Politik ist. Es geht hier also um Normen und Werte, die in der Gesellschaft herumgeistern. Was angemessene Politik genau ist lässt sich nicht genau bestimmen. Der Manager, mit Millionenvermögen, hat eine andere Vorstellung von Angemessenheit, als ein Empfänger von Transferleistungen. Es gibt aber auch die „Konsequenz“. Man definieren, was ein Existenzminimum ist. Man kann Minimalziele des Staates, Kosten/Nutzenfunktionen definieren. In dieser Logik kann man sich leicht als „Getriebener der Zahlen“ fühlen. Dinge werden alternativlos, weil sie mathematisch, in bestimmten Modellen, zwingend werden. Journalisten sollten die Aufgabe übernehmen zwischen „Angemessenheit“ und „Konsequenz“ zu vermitteln. Sie sollten also eine Position der Mäßigung übernehmen.

Ob die Journalistin  Merlind Theile auch mäßigend in der Berichterstattung zu den Piraten wirkt weiß ich nicht. Der Artikel „Medien ohne Funktion“ bezieht im Fall der Falschdarstellung der Frau  Weisband folgende Stellung: die Medien, und Journalisten, seien keine Sprachrohre. Man hätte die Sache einfach gerade rücken können, ohne mit Anschuldigungen seitens der Piraten zurecht rücken können. Es wird darauf verwiesen, dass bei Darstellung und Gegendarstellung, der Leser schon seine Meinung „erlesen“ kann. Anschuldigungen, sind also gar nicht nötig, auch keine Mitschnitte von Interviews. Da werden sowieso die wenigsten rein hören.

Der Kreis schließt sich: einige Piraten wollen Interviews mitschneiden um konsequent transparent zu sein. Die Mehrheit der Menschen will da gar nicht rein hören. Sie vertrauen darauf, was in der Darstellung bzw. Gegendarstellung steht. Man sieht: das Pendel wird in der Mitte zwischen Angemessenheit und Konsequenz einschlagen. Politische Akteure müssen damit rechnen, ihre Botschaften um-gedeutet werden. Auch sie müssen um ihre Deutungshoheit kämpfen. Mitschnitte, können auch nach hinten losgehen. Worte sind, je nach verinnerlichten Normen, Werten und sozio-kulturellen Hintergrund, unterschiedlich deutbar. Eine Sache der Angemessenheit eben.

 

Anmerkung: Ich wurde darauf hingewiesen, dass ich etwas zur „Affäre Weisband“ erläutern solle. Das bekannte Piratenmitglied Marina Weisband monierte, dass sie  in dem Spiegel-Artikel „Die gute Fee“ (SPIEGEL 45/2012)  falsch dargestellt wurde. Eine Erwiderung der Autorin fand im Spiegelblog statt. Es wurde in Weisbands Blogartikel vorgeschlagen, während journalistischen Interviews Aufnahmegeräte laufen zu lassen um solche Vorkommnisse in Zukunft zu verhindern. Im Telepolis-Artikel „Medien ohne Funktion“ wird darauf hingewiesen, das Journalisten eine bestimmte Interpretationsgewalt besitzen. Sie sollen und müssen nicht genau wiedergeben, was das Gegenüber gesagt hat. Wie viel Interpretationsgewalt, gerade im Hintergrund politischer Berichterstattung, angemessen ist, darüber streiten sich die Geister.

Von der eigenen Wahrnehmung, China und der Politikwissenschaft

10 Nov

Hallo alle Miteinander,

neulich hatte ich ein Gespräch mit einem Kommilitonen. Er erzählte mir, dass er neuerdings um fünf Uhr morgens aufsteht, seinen Unikram erledigt und dann von 10 – 19 Uhr bei Burger King arbeitet.  Ich habe leider vergessen zu fragen, wie oft er das macht. Wenn nur ein Tag in der Woche so wäre wie oben beschrieben, wäre ich überfordert. Der Kommilitone erscheint immer vorbereitet an der Uni und wirkt nie gestresst. Auch  andere Kommilitonen, die nebenbei arbeiten gehen, wirken nie sonderlich gestresst oder unvorbereitet. Ich fühle mich von dem Uni-Alltag gut ausgefüllt, nicht zu viel und nicht zu wenig. Wenn ich bedenke, ich  müsste noch zehn Stunden nebenbei arbeiten, hätte ich Angst mich zu überfordern.
Habe ich eine falsche Wahrnehmung von dem, was ein Mensch leisten kann? Bin ich nicht belastbar? Ich habe in Praktika 8 Stunden, 5 Tage die Woche gearbeitet. Ich habe mich dort auch nicht überfordert gefühlt. Lässt einen Zwang, so viel machen zu müssen, den Zwang erträglicher erscheinen? Oder suggerieren die Leute nur, dass sie es ertragen? Habe ich eine verzerrte Wahrnehmung, haben dies nur die anderen? Oder ist unser aller Wahrnehmung, was wir leisten können, verzerrt?  Ich bin Rat- und Gedankenlos in dieser Sache. An meine zukünftigen Personalchefs: sollten sie wirklich das Internet nach Momentaufnahmen meiner Persönlichkeiten durchsuchen (wollen, müssen), Scheißjob!

China gerät wieder mal in den Fokus der Aufmerksamkeit. Die KP tauscht ihre Führungsriege aus und inszeniert sich selbst. Das viele Asiaten anders ticken als wir Westeuropäer ist klar. Es stellt sich die Frage: gibt es einen objektiven Standpunkt der Wahrnehmung von Europäern und Asiaten? Oder sollten wir alle uns damit anfreunden, das unsere Wahrnehmung verzerrt ist? Dann geht es nicht mehr darum wer recht hat, sondern wer sich durchsetzt. Macht anstelle von Diskurs. Realpolitik anstelle von Idealismus. Suggerierte Überhöhung eigener Ideale anstatt ehrliche Darstellung der eigenen (anderer) Mittelmäßigkeit. Ich wäre dann doch eher für ein bisschen Diskurs.

Wenn ich schon bei Macht, Politik und Wahrnehmung bin, dann sind wir bei der Politikwissenschaft angelangt. Die meisten Nicht-Politikwissenschftler meinen: wir wären ziemlich sinnlos. Wenn so schlechte Politik, trotz unserer Existenz gemacht werde, würden wir unsere Relevanz verspielen. Sind wir also eine Luxuswissenschaft? Sind wir der Royce-Royce unter den Wissenschaften? Es gibt Studien die belegen, das zweite Kammern den Status-Quo erhalten und damit den Fortschritt hemmen. Es gibt Vorschläge für ein reformiertes, demokratischeres deutsches Wahlrecht, eine handlungsfähigere UNO, eine Bürgerbildung, die ermächtigt sich stärker zu beteiligen. Sie stehen in diversen Publikationen: für Fachpublikum. Politikwissenschaftler sind eben keine Politiker, die medial eine Agenda definieren, die um die Aufmerksamkeit der Leute buhlen, ihre Position im politischen System erweitern wollen. Wir wählen nicht den Kanzlerkandidaten. Wir schreiben keine Parteiprogramme,  Parteistatute. Jedenfalls tun wir all dies nicht in der Rolle als Politikwissenschaftler. Wir geben Hinweise, wenn man uns fragt. Unser Job ist die Kritik, aber nicht deren mediale Ausbreitung, nicht deren Interpretation in politisches Handeln, nicht deren Abstimmung auf dem Wahlzettel. Hier sind Journalisten, Politiker und Bürger zuständig. Wir kritisieren schlechte Politik, wir machen sie nicht! Wir produzieren weniger (alltäglich) verwertbare Erkenntnisse als andere Wissenschaften. Wir produzieren keinen Luxus! Wir erneuern keine Atomwaffenbestände! Wir entwickeln keine Killerviren! Wir entwickeln keine Luxusautomobile, -flugzeuge, -schiffe! Wir grübeln nicht über windig verpachte „Finanzinstrumente“. Wissenschaften i. A. tun all diese Dinge nicht! Uns allen geht es um allgemeine, logische und nachprüfbare Aussagen über die Welt. Nicht aus jeder Aussage lassen sich (alltäglich) verwertbare „Dinge “ destillieren. Erkenne dich selbst! Erkenne die Welt! Wenn dies Luxus sein soll, dann wahren die letzten Jahrtausende der pure Luxus menschlicher Existenz!

Genau hier beginnt das Mittelmaß: (Politik)Wissenschaft liefert Aussagen über die politische Welt. Nur aus den wenigsten lässt sich ein praktischer Nutzen destillieren. Wir sind weder nutzlos noch (wie auch immer definiert) vollständig nützlich.

Ich denke, man kann sich auf diese (eigene) Wahrnehmung einigen.

Von handgeschrieben Exzerpten, dem Politischen und Fernsehkritik-TV

3 Nov

Hallo alle Miteinander,

manche Überschriften sind schon eine Herausforderung für den Leser und  den Autor. Mal sehen ob ich den roten Faden finde.

Einer meiner jetzigen Dozenten  möchte ein  handgeschriebenes Exzerpt über einen Text haben. Man kann fragen: was soll das? Wir sind alle Studenten mit jahrelanger Erfahrung im Schreiben von Texten. Welchen Mehrwert hat also diese Marotte des Dozenten für uns? Wer seit Jahrzehnten seine Notizen handschriftlich verfasst hat einen anderen Blickwinkel auf „tastaturlich“ verfasste Notizen. Der Dozent meint handschriftlich verfasste Notizen würden ein höheres Maß an Kreativität freisetzen. Die Frage lautet: gibt es ein höheres Maß an Kreativität? Wenn ja, hilft sie uns besser mit unseren Notizen zu arbeiten? Sicher, mal wieder leserlich mit der Hand zu schreiben ist nicht verkehrt, ob es für Master-Studenten, die ihre Arbeitsroutinen haben, Mehrwert bringt bezweifle ich. Es kommt halt immer auf die eigene Wahrnehmung (meinerseits, des Dozenten) an.

Wo wir doch gerade bei Wahrnehmung sind: Was ist das Politische? Für einen ultra-ortodoxen Juden, einen streng evangelikalen Christen und einen radikalen Moslem wird die Frage einfach zu beantworten sein: nichts! Für diese Menschen ist das Gemeinwesen religiös definiert. Alte Texte, alte Regeln – alles gut. Gott reicht hier völlig aus. Auch wenn dort das „Politische“ für uns vorhanden ist, für sie wäre dies „Gotteslästerung“ Was ist denn nun das Politische (für uns)? Ich glaube die Antwort ist einfach und nachvollziehbar: der Staat. Kein Tag vergeht, wo wir uns über den „Staat“ seine Politiker, seine Gesetze aufregen. Der Staat ist das Synonym für die Gesellschaft, Alters- und Krankenversicherung, Bildung, Sicherheit u. v. m. geworden. Hier geht es eben nicht um Parteipolitik, Verordnungen und Debatten. Hier geht es um die Frage: was wird aus uns? Streng religiöse Menschen legen ihr Schicksal in göttliche Hände. Alle Anderen suchen sich den Staat. Es geht natürlich auch um Gestalten. Wer gestaltet was? Wer bringt sich ein? Wer zieht sich zurück? Was ist unsere Wahrnehmung vom angemessenen Gestalten in unserer Gemeinschaft? Am Ende wird das „Politische“ auch nur wieder eine persönliche Wahrnehmung der eigenen Welt sein.

Auch der Fernsehkritiker hat seine eigene Welt. Ob er eine handgeschriebene Verteidigung beim nächsten Gerichtstermin verbringen wird weiß ich nicht. Im T-Shirt-Prozess geht es wieder eine Runde weiter. Es werden 25.000 Euro Spendengelder gesammelt. Die Kanonen werden geladen. Holger Kreymeier  hat bestimmt seine Definition vom Politischen. Der Staat, in Form der Gerichte, soll ihm dabei helfen, Kritik (in Form eines Shirts) üben zu dürfen. Mal sehen, ob die Gerichte dieses Anliegen juristisch unterstützen. Zu wünschen wäre es ihm.

Ich hoffe der rote Faden der Mittelmäßigkeiten konnte gesichtet werden.