Hallo alle Miteinander,
wieder einmal hat mich ein Blogeintrag von tinyentropy zum nachdenken gebracht. Er schreibt in seinem Beitrag über mangelnde Inspiration, die er zur Zeit verspüre. Die Themenlage sei reichhaltig, es gäbe aber zu wenig Zeit. Promotion u. a. raubten im die Zeit. Ohnehin lesen wir- und beschäftigen uns zu oberflächlich mit bestimmten Themen. Wir würden ziellos in einem Informationskreislauf, aus werden und vergehen, verumwabern. Alles erscheine so ziellos.
Ich habe in den Kommentaren meine Meinung kund getan und verwerte sie hier ein zweites Mal:
meinem Empfinden nach spricht aus deinem Text mehr als nur mangelnde Inspiration. Es erinnert mich ein wenig an Faust. Der wollte auch alles wissen. Als er dann alles wusste, fand er keine Befriedigung.
Wie viel Wissen, Erkenntnis und Bildung wirklich nützlich sind kann eh Niemand bestimmen. Und ja, wir vergessen. Wir lernen neu und wir rollen den Stein des Sisyphos. Weiter und weiter und weiter. Das macht den (post)modernen Menschen unbefriedigt. Denn wir haben eine klares Ziel vor Augen! Wenn wir es nicht erreichen, beginnt ein Infragestellen. Dies scheint in deinem Artikel ein Stück weit durch. Ich müsste meinen Interessen alle nachkommen, ich müsste meine Persönlichkeit voll entfalten. Wenn ich dies nicht schaffe, produziere ich meine eigene Enttäuschung.
Da spricht doch ein wenig ein Egotrip des (post)modernen Menschen. Wir fahren ihn alle, irgendwie. Dabei zeigt die Geschichte von Sisyphos, dass es anders geht. Kluge Menschen der Gegenwart haben sie so interpretiert, dass es in Ordnung ist wenn Sisyphos seinen Stein ständig schleppen muss. Er weiß, dass dies sinnlos ist. Aber gerade diese Sinnlosigkeit gibt ihm Zufriedenheit.
Das ist natürlich kein Plädoyer für (vorwiegenden) Müßiggang. Wir können und müssen produktiv sein! Wir sind aber keine Computer, die eine vollständig konsistente Arbeitsweise vorzeigen müssen. Wir können uninspiriert sein, wir können an die Decke starren. Dennoch kann sich daraus etwas produktives ergeben.
Du sagst, wir nehmen zu viele Informationen auf, wir rezipieren zu oberflächlich. Dadurch würde ein Sisyphos-Prozess in Gang kommen, wir würden nur auf der Stelle treten. Das sei gefährlich! Die Schweizer haben jahrzehntelang um die Einführung des allg. Frauenwahlrechts gerungen. (meiner Erinnerung nach) ging mindestens eine Volksabstimmung verloren. Erst nach weiteren Anläufen fiel die Abstimmung für das Frauenwahlrecht aus.
Vielleicht bin ich im Herzen doch etwas konservativer als mir lieb ist. Aber dieses “Fortschritt sofort!” bei uns Linken geht mir allmählich etwas auf die Nerven. Themen kommen und gehen. Das war schon bei den alten Griechen so, auf ihrem Marktplatz. Antworten warten auf die richtigen Fragen, der Zufall ist beständig, das Vergessen weckt Erinnerungen.
Ich hab gerade eine alte Star Trek Folge gesehen [„Landru und die Ewigkeit“]. Wo ein Großcomputer mittels Telepathie über eine Bevölkerung herrschte. Es gab dort keine Diskurse. Der Computer speicherte alles und entschied rational. Es gab auch keine Fragen, kein Zufall, keine Inspiration -> keine Seele. Die Pointe war: wer nur das Gute will, schafft auch das Schlechte. Denn der Computer hat seelenlose Zombies erschaffen. Die waren zwar “gut”, hatten aber keine “Seele” mehr. Der Computer hat in bester Absicht ein schlimmes Verbrechen verübt: er hat seelenlose Zombies geschaffen!
Meine Meinung: der Sisyphos zeigt eine wichtige Eigenschaft auf – Redundanz. Aber sie macht uns zu erst beseelten Wesen! Zehn Debatten können redundant sein, die elfte bringt uns weiter! Uns fehlt zehn Tage lang jegliche Inspiration, am elften Tag küsst uns die Muse. Zehn Tage lang ringen wir um die richtige Antwort, dann kommt die Frage, wo wir unsere passende Antwort finden.
Das vergessen wir leider in unserer (post)modernen Sichtweise.
Wir Menschen pendeln ständig zwischen zielorientiertem Handeln und nicht-zielorientiertem Handeln. Doch diese Pendelei ergibt ein Mittelmaß, dass uns menschlich werden lässt. Wir wurden schon immer mit Informationen zugeflutet. Qualität und Quantität haben sich verändert, ich denke aber, dass sich das Empfinden des „geflutet werdens“ nicht verändert hat. Ein entspannterer Umgang mit diesem Empfinden ist hilfreich und hilft, Stress abzubauen. Ich muss nicht die Flut aushalten, ich kann versuchen ihr auszuweichen, zumindest kann ich versuchen sie zu ignorieren.
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